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Warum wollte ich später einmal Krankenschwester werden?
Früher, wenn mich jemand fragte, was ich einmal werden will, antwortete ich zielbewusst: Krankenschwester. Das kam so. Mit acht Jahren wurde ich in das Gmundner Krankenhaus, das liegt im Salzkammergut am Traunsee, wegen Scharlach eingeliefert und sollte dort sechs Wochen verbringen. Die erste Woche war furchtbar. Ich wurde ganz alleine in ein Zimmer zur Beobachtung gelegt. Ich hatte Spielzeug und auch genügend Bücher mit. Aber jedes Buch fing ich an zu lesen und warf es wieder hin. Ich konnte mir alleine die Zeit nicht vertreiben. Eine Woche später kam ich in einen großen Saal. Da waren Buben und Mädchen in verschiedenen Altersklassen. Den ersten Tag betrachteten sie mich als fremd und sprachen kein Wort mit mir. Aber schon am nächsten Tag nahmen sie mich in ihren Kreis auf, und wir erzählten uns gegenseitig, und die Zeit verging schnell.
Nach drei Wochen durfte ich aufstehen. Jeden Morgen ging ich mit der Schwester durch die Räume und sah ihr zu, wie sie das Fieber kontrollierte und wie sie die Temperatur in einer Fieberkurve aufzeichnete. Und nach einer kurzen Zeit konnte ich es auch. Ich erzählte es ihr, aber sie glaubte es nicht. Erst als sie sich selbst überzeugte, konnte sie nicht anders. Sie musste es glauben. Sie erlaubte mir, das noch öfters zu tun und erlaubte mir auch in anderen Zimmern zu verweilen. Sie bemerkte, dass ich an dieser Arbeit Spaß hatte und erzählte mir viel über den Beruf einer Krankenschwester z. B. dass die Aufgabe nicht nur darin besteht, für das Körperliche zu sorgen, sondern hauptsächlich auch für das Seelische und weiter erläuterte sie mir: Kranke Menschen fühlen sich oft so elend, und es ist wirklich notwendig, sie zu trösten. Den Nachmittag darauf ging ich in den Raum zu den kleinen Kindern, erzählte ihnen Märchen, tröstete sie, und nach einer kurzen Zeit gelang es mir, sie zum Lachen zu bringen. Ich glaube, das ist der Grund, warum ich damals den Entschluss fasste, eine Krankenschwester zu werden. Ich bildete mir ein: Fieber messen kann ich, trösten kann ich auch, und das andere ergibt sich von selbst, und ich glaubte, später diesen Beruf ganz und gar ausüben zu können.
Aber die Zeit verging. Die sechs Wochen waren vorbei, ich war gesund und sollte entlassen werden. Die Schwester sah es meinen Augen an, dass ich noch länger gier geblieben wäre, und ich durfte auch noch eine weitere Woche bleiben. Doch dann wurde ich abgeholt und nach Hause geschickt. Die Schule hatte in unserem Dörfchen schon längst angefangen, und der Alltag ging wieder los. Meinen Berufswunsch vergaß ich nicht. Ich fragte sämtliche Bekannten und Verwandten über den Beruf einer Krankenschwester aus. Sie erzählten mir, dass man wenig Geld verdient, man sich nicht schminken darf, man immer der Gefahr ausgesetzt ist, angesteckt zu werden, dass man nicht heiraten darf und noch vieles andere. (Es handelte sich um Ordensschwestern, die im Krankenhaus arbeiteten). Ich hörte mir sie alle an, und dann überlegte ich und stellte fest, dass dieser Beruf viel zu viel Nachteile hat. Und so kam es, dass ich, wenn mich jemand nach meinem Berufswunsch fragte, mit den Achseln zuckte. Ich war unsicher geworden. Als ich ein paar Jahre später in das Frankfurter Krankenhaus eingeliefert wurde, verging mir die Lust, später einmal Krankenschwester zu werden ganz und gar. Die Schwestern waren in diesem Krankenhaus so unfreundlich wie nur möglich. Sie taten gewiss ihren Dienst für das Körperliche, aber nie entgegneten sie einem ein freundliches Wort. Auch die Kinder waren nicht so wie in Gmunden. Es waren auch Buben und Mädchen zusammen, aber sie waren einander so fremd, und ich wäre vor Langeweile bald gestorben, wenn nicht einen Tag später ein Mädchen in die Klinik gekommen wäre, das im selben Jahr, im selben Monat und am selben Tag wie ich geboren wurde. Wir schlossen natürlich sofort Freundschaft, tauschten die Adressen und vertrieben uns mit so mancherlei die Zeit. Wenn mich jetzt mit 15 Jahren jemand gefragt, was ich einmal werden will, kann ich nicht mehr so begeistert und zielbewusst wie früher antworten. Gewiss, ich denke noch oft an meinem früheren Berufswunsch, aber die Lust, die Liebe und den Eifer zu diesem Beruf habe ich momentan nicht mehr. Es könnte aber auch sein, dass die drei Dinge, die unbedingt notwendig sind, eine solche Berufswahl zu treffen, plötzlich wieder auftauchen? Diesen Aufsatz schrieb ich mit 15 Jahren, ( es ist ein Original) und ich musste ihn vor der Klasse vorlesen. Der Deutschlehrer war begeistert und konnte gar nicht glauben, dass ich diesen Aufsatz selbst verfasst habe. Doch ich bin keine Krankenschwester geworden. Mein erlernter Beruf als Bankkauffrau gab mir die Möglichkeit, am Schalter viele unterschiedliche Menschen zu treffen und ihnen auch in gewisser Weise zu dienen. So konnte ich durch Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und einem guten Wort auch ein wenig helfen. Die Liebe zu den Menschen und ihnen durch ein aufmunterndes Wort etwas zu helfen, ist mir ein Leben lang geblieben.
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